Carl Loewe: Das Sühnopfer des Neuen Bundes, 14. April 2006, Marienkirche Königsberg
Eine herrliche Gesamtleistung boten die Kantorei Haßberge, das Würzburger Barockorchester und die Solisten Anne Ellersiek, Silvia Mütterlein, Benedikt Nawrath, John Janssen und Sven Fürst in der Marienkirche in Königsberg mit dem Werk ?Das Sühnopfer des neuen Bundes? von Carl Loewe.
Königsberg (ger) Mit dem äußerst selten aufgeführten Werk von Carl Loewe ?Das Sühnopfer des neuen Bundes? bewies die Kantorei Haßberge unter der Leitung von Matthias Göttemann wieder einmal ihr Können. Gemeinsam mit dem Würzburger Barockorchester brachten die 60 Sängerinnen und Sänger sowie die Solisten Silvia Mütterlein (Alt), John Janssen (Bass), Anne Ellersiek (Sopran), Benedikt Nawrath (Tenor) und Sven Fürst (Bass) das romantische, sehr gefällige Werk in der Marienkirche in Königsberg zur Aufführung. Mit starkem Applaus würdigten die Zuhörer die eindrucksvolle Gesamtleistung.
?Es müssen ja nicht immer die großen Passionsoratorien von Johann Sebastian Bach sein? hatte sich der Dekanatskantor Matthias Göttemann gedacht, als er auf der Suche nach einem geeigneten Passionswerk war. Das ?Sühnopfer des Neuen Bundes? aus der Zeit um 1850 war ihm bereits als ein sehr einnehmendes Stück bekannt, das neben seinen episch-lyrischen Elementen durchaus auch opernhaft-dramatische Züge aufweist. ?Der Chor hat dabei einen sehr umfangreichen Part, gleichzeitig benötigt man kein so aufwendig besetztes Orchester?, fasste er die weiteren Vorzüge dieses Oratoriums zusammen. So machte er sich mit den Laiensängerinnen und ?sängern an die Einstudierung dieser fast vergessenen Komposition. Auch wenn die Chorsätze nicht außerordentlich schwer gestaltet sind, so erforderten die Proben doch ?sehr viel Arbeit im Detail?. Das Ergebnis seiner Arbeit mit den Chorsängern, dem Orchester und den Solisten jedenfalls begeisterte die Zuhörer und wurde durch einen Live-Mitschnitt gleichsam auch konserviert.
Das Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift, gedichtet von W. Telschow, ist unverkennbar der Romantik zuzuordnen. Doch wird man dem Komponisten damit allein nicht gerecht. Denn ihn verbinden mit der Musik seiner Zeit auch das Streben nach Einfachheit, Anklänge an Beethovens Instrumentalstil oder an große Opernszenen. Dass er in einzigartiger Weise der Balladenkunst die Krone aufsetzte, wird auch in seinem Oratorium spürbar. Daneben sind aber auch Bezüge zu älteren Praktiken der Passionsvertonung durch Johann Sebastian Bach oder Georg Friedrich Händel, vor allem in der herausragenden Position des evangelischen Kirchenliedes, deutlich zu erkennen. ?Das Einzigartige an dem Sühnopfer des Neuen Bundes ist, dass es nicht nur die Leidensgeschichte Jesu, sondern auch Personen aus dem Umfeld Jesu beleuchtet?, so Göttemann. So gibt Carl Loewe Maria Magdalena und der Frau des Pilatus eigene Arien, lässt die Zionstöchter singen oder widmet Josef zu Arimathia und Nicodemus ein Duett. ?Außerdem erzählen die Arien der Solisten nicht das Geschehen, wie zum Beispiel bei Bach, sondern sind Teil der Handlung?. Das Ganze erhält durch die Sturm- und Drang-Elemente ein emotionales Gefüge, das den Zuhörer im Innersten anspricht. So ließ diese Aufführung auch niemanden unberührt; zu schön die Choräle, die der Chor mal freudig, mal ergriffen, mal tief beseelt und mal dramatisch, immer aber feinsinnig, sicher und harmonisch vortrug, zu eingehend die Rezitative und Arien der Solisten. Wiederum gebührt Matthias Göttemann ein großes Kompliment, dass es ihm gelang, mit der Kantorei jede feinste Nuancierung der Stimmungen und Gefühle einzufangen und musikalisch auszudrücken. Silvia Mütterlein, geborene Eck aus Haßfurt, erwies sich als einfühlsame Sängerin, die wie John Janssen und Benedikt Nawrath in wechselnde Rollen schlüpfen musste und die jeweiligen Stimmungen gut zu interpretieren wusste. Deutliche Glanzlichter setzten Anne Ellersiek und Sven Fürst in der Rolle des Jesus der gesamten Aufführung auf: die Sopranistin zeichnete sich durch stilistische Sensibilität aus, die sie mit feinster Lautmalerei, einer perfekten Aussprache und dezenter Mimik unterstrich. Sven Fürst schließlich zog die Zuhörer mit seiner wohl tönenden, sonoren Stimme in den Bann. Er gab die wechselseitige Durchdringung der Dichtung und der Musik innig wieder und ließ seinen Part mit intensiver Phrasierung und fein differenzierter Dynamik zum besonderen Ohrenschmaus werden.